Spanien: Bahnchaos und Verspätungen nehmen zu

Die spanische Bahn hat ereignisreiche Wochen hinter sich. Am 28. April fiel in ganz Spanien der Strom aus, und neben allem anderen Unglück saßen 50.000 Schnellbahnfahrer stundenlang in ihren Zügen fest. Genau eine Woche später blieben einige derselben Züge auf halbem Wege zwischen Sevilla und Madrid stehen, weil jemand an der Strecke Kabel geklaut hatte. Der Verkehrsminister entschuldigte sich bei den diesmal rund 10.000 Betroffenen mit dem Hinweis auf einen möglichen Akt der „Sabotage“ (obwohl wohl nur gewöhnliche Kupferdiebe am Werk waren).
Óscar Puente, der Minister, möchte gern an seinem Diktum vom letzten Sommer festhalten, dass „der Zug in Spanien gerade seinen besten Moment“ erlebe. Aber wahrscheinlich ist das Gegenteil wahr: In Jahrzehnten gab es nicht so viel Grund zur Klage wie gerade jetzt.

Der Talgo 350, ein Hochgeschwindigkeitszug der RENFE AVE, auf der Strecke Madrid nach Levante bei Alicante.
Quelle: imago images/Zoonar
Spaniens Schnellzüge sind in den vergangenen vier Jahren billiger, unbequemer und unpünktlicher geworden. Der ehemalige Staatsmonopolist Renfe bekam 2021 erstmals private Konkurrenz auf der Vorzeigestrecke zwischen Madrid und Barcelona. Seitdem fahren dort etwa 60 Prozent mehr Züge und die Preise sind im Durchschnitt um 40 Prozent gesunken. Zwischen dem Vorpandemiejahr 2019 und 2023 ist die Zahl der Passagiere auf dem gesamten Schnellbahnstreckennetz (3000 Kilometer Neubau-, 1000 Kilometer Ausbaustrecken) um 10 Millionen auf knapp 32 Millionen gestiegen. Das ist eine ordentliche Erfolgsgeschichte. Aber der Erfolg hat seinen Preis.
Als 1992 die erste Schnellbahnstrecke zwischen Madrid und Sevilla in Betrieb ging, war sie der Stolz der Nation. Noch acht Jahre später waren 99,8 Prozent der Züge pünktlich (das hieß: höchstens fünf Minuten zu spät, meistens aber etwas früher da, als der Fahrplan versprach). Die Verlässlichkeit des AVE (dem spanischen Gegenstück zum deutschen ICE) war seine größte Stärke. Das blieb so bis 2020: Die Unpünktlichkeit (mit mehr als 15 Minuten Verspätung schon etwas großzügiger bemessen) blieb unter einem Prozent. Bis 2023 kletterte sie auf 6 Prozent.
Fürs vergangene Jahr gibt es keine guten Zahlen, nur eine Mitteilung des Verkehrsministers vom Sommer, dass nur noch gut drei Viertel der Fernzüge pünktlich ankämen. Ein neuer Zugtyp, der S 106 von Talgo, hatte Macken und mutete seinen Passagieren auch noch zu, zu fünft statt wie bisher zu viert in einer Reihe zu sitzen. Die stolzen Zeiten der spanischen Bahn sind vorbei. Stattdessen ist sie billiger und populärer geworden.
rnd