Mysterium Medizincheck: Wie konnte Boniface bei Werder bestehen?

Vor einer Woche wurde Stürmer Victor Boniface beim AC Mailand ärztlich durchgecheckt – es reichte nicht. Werders Medizincheck am Montag bestand er jedoch. Woran lag das?
Bevor im Profi-Fußball ein neuer Spieler verpflichtet wird, dann gehört eine Sache immer zum Pflichtprogramm: der Medizincheck. Alle Spieler von der ersten bis zur dritten Liga müssen ihn absolvieren. Doch was verbirgt sich eigentlich genau dahinter? Und wie wichtig ist das Ergebnis bei der Transferentscheidung?
Am Montag wurde Leverkusens Stürmer Victor Boniface vom Werder-Teamarzt durchgecheckt. Dieser gab sein Okay und Geschäftsführer Clemens Fritz entschied sich für die Ausleihe. Eine Woche zuvor hatte Boniface bereits beim italienischen Top-Klub AC Mailand einen Medizincheck absolviert – dort war er jedoch durchgefallen, der Wechsel kam nicht zustande.
Testablauf von DOSB und DFL festgelegtHat Werder also etwas übersehen? Oder unterscheiden sich die Tests in Italien von jenen in Deutschland? Weder noch. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) legt in seinen Regularien fest, wie ein Medizincheck bei einem Verein ablaufen muss. Auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) schreibt in ihrer Lizenzordnung unter Paragraf 2.4, "dass die Sporttauglichkeit der Spieler nach einer vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchung nachgewiesen werden muss. Dies muss jährlich zu Beginn eines neuen Spieljahrs sowie bei einem Transfer geschehen".
Die Tests laufen also nach denselben Kriterien ab, die Spieler werden von Kopf bis Fuß untersucht. Einerseits im internistischen Bereich mit Blutdruckmessen, Blutabnahme, Tests der Funktion der inneren Organe, besonders Herz und Nieren, bis hin zur maximalen Körperbelastung am Ergometer. Danach folgt die orthopädische Untersuchung, fußballspezifisch mit dem besonderen Fokus auf Knochen, Muskeln, Bänder und Gelenke. Auch der Impfpass wird kontrolliert.
Boniface mit dicker KrankenakteEine wichtige Rolle spielt bei der Untersuchung die Verletzungshistorie eines Spielers. Hier checkt der Mediziner, inwieweit alte Schäden verheilt sind und schätzt ein, wie wahrscheinlich künftige Verletzungen in diesem Bereich sind. Im Fall von Boniface ist die Krankenakte für einen 24-Jährigen schon verhältnismäßig dick. Der Stürmer hatte unter anderem bereits zwei Kreuzbandrisse und damit zwei Operationen am Knie.
Der Arzt in Mailand war nach Ansicht der Verletzungshistorie zu dem Schluss gekommen, dass das Risiko eines erneuten Ausfalls gegeben ist und hatte den Klubverantwortlichen daher vom Transfer abgeraten. Dem Werder-Teamarzt lag dieselbe Krankenakte vor, auch er wird das Risiko, das die alten Verletzungen mit sich bringen, sicherlich erkannt haben.
Alles eine Frage der InterpretationDer Unterschied ist: Werder hat aufgrund der finanziell angespannten Lage nicht die Auswahlmöglichkeit wie der AC Mailand. Die Bremer haben sich daher bewusst – aber auch ohne allzu große Alternativmöglichkeiten – entschieden, das Risiko mit Boniface einzugehen.
Ein Medizincheck ist also kein Test, bei dem man nach bestimmten Kriterien immer besteht oder durchfällt. Vielmehr wird das Ergebnis vom Teamarzt und dem Verein interpretiert. Es ist ein Abwägen von Risiko und Nutzen. Und Werder hofft, dass bei Boniface der Nutzen größer sein wird.
Wir wissen um die Problematik und haben uns ein umfangreiches Bild von ihm verschafft. Er kennt seinen Körper sehr gut und weiß, wie er damit umzugehen hat. (Werder-Geschäftsführer Clemens Fritz über Victor Boniface)
Dieses Thema im Programm: Sportblitz, 1. September 2025, 18:06 Uhr
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